Mehrsprachigkeit und Wunsch und Wirklichkeit

8/2007/ps. Zwanzig Amtssprachen gibt es in der Europäischen Union. Und der Preis für diese Mehrsprachigkeit ist hoch. Ján Figel – Zuständiges Mitglied der Europäischen Kommission für allgemeine und berufliche Bildung, Kultur und Mehrsprachigkeit – weist aber darauf hin, daß die Mehrsprachigkeit ein Teil dessen sei, was die Europäische Union ausmache.

"Wenn wir Fremdsprachen lernen und sprechen, werden wir toleranter und offener für andere Menschen, andere Kulturen und andere Sichtweisen. Bürgerinnen und Bürger, die über gute Sprachkenntnisse verfügen, können den Binnenmarkt besser nutzen und in einem anderen Mitgliedstaat arbeiten oder studieren."

Allerdings hat eine EU-Umfrage erbracht, daß das Interesse an Fremdsprachen sehr unterschiedlich ausgeprägt ist. In Spanien und Italien ist der Wunsch nach Sprachkenntnissen besonders gering ausgeprägt. Dies kann jeder Urlauber in diesen Ländern selbst verifizieren. Dies ist um so verwunderlicher, als gerade diese Länder vom Tourismus sehr stark profitieren und in gewissem Umfang davon auch abhängig sind. Und daß etwa 38 Prozent der EU-weit-Befragten angaben, Englisch zu beherrschen, scheint eher auf die falsche Einschätzung der Sprachkenntnisse der befragten Personen denn auf die tatsächliche Beherrschung der englischen Sprache hinzudeuten. Vielleicht hat einfach eine Definition darüber gefehlt, was unter Beherrschung einer Sprache zu verstehen ist.

EU-Formel: ?Muttersprache + 2?

Figel wendet sich gegen die Aussage, es sei ausreichend, wenn die Bürger nur eine Lingua franca erlernten. Ein Bürger, der sich auf das Erlernen einer einzigen Lingua franca beschränke, werde nicht die interkulturellen Kenntnisse erwerben, die das Erlernen einer Fremdsprache in ihrem gesamten kulturellen Kontext ermögliche. Und der Bedarf der europäischen Industrie und Wirtschaft könne nicht durch Bildungssysteme gedeckt werden, aus denen junge Menschen hervorgehen, die sich nur in ihrer eigenen Sprache und auf einer Lingua franca verständigen.

Langfristig verfolge die Kommission das Ziel, die individuelle Mehrsprachigkeit kontinuierlich voranzutreiben, bis alle Bürgerinnen und Bürger zusätzlich zu ihrer Muttersprache über praktische Kenntnisse in mindestens zwei weiteren Sprachen verfügen. Allerdings sieht die Wirklichkeit ganz anders aus, nicht nur im Urlaub in Spanien oder Italien. Die durchschnittliche Anzahl der auf der Sekundarstufe erlernten
Fremdsprachen ist laut Figel nach wie vor weit entfernt von dem auf der Europäischen Ratstagung in Barcelona 2002 festgelegten Ziel, nämlich dem Erwerb von zwei Fremdsprachen ab dem frühen Kindesalter. Aber die EU investiert im Rahmen der Programme SOKRATES und LEONARDO jedes Jahr mehr als 30 Millionen Euro in Projekte, die dafür sorgen sollen, "dass die Begeisterung der Sprachenlernenden und ihrer Lehrkräfte nicht nachlässt (Austauschprogramme zwischen Schulen, Fremdsprachen-assistentinnen und -assistenten, Ausbildungsprogramme für Lehrkräfte, Sensibilisierungsmaßnahmen usw.).

Es wäre interessant zu wissen, welche EU-Abgeordneten diese Formel erfüllen. Und praktisch gesehen wird es aller Voraussicht nach auf eine Sprache hinauslaufen, nämlich Englisch. Nur dies erscheint realistisch und wäre im übrigen ein nicht zu unterschätzender Fortschritt.

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